Stremiz
Der Wind fegte leise durch die Blätter. Es war etwas kühler diesen Morgen. Jean konnte das Rauschen des Sturzbaches hören, der hinter seinem Haus talwärts floss. Er drehte sich noch einmal um. Zeit aufzustehen und Kaffee aufzusetzen – nur was trieb ihn?
Der Weiler bestand nur aus ein paar Häusern. Eine Brücke verband die beiden Hälften des Dorfes. Ein angedeuteter Dorfplatz, mehr nicht. Jedoch ein Brunnen in der Mitte. Jean verfügte allerdings über fließendes Wasser, seine Vorbesitzer hatten eine Wasserleitung installiert. Dem Haus sah man das von außen nicht an. Seit einem Jahrhundert hatte sich hier kaum etwas verändert.
Jean zog sich hierher zurück um der Welt zu entfliehen. Die Fenster auf und nur Wald, nichts als Wald. Sieben Kilometer bis zur ersten größeren Siedlung wo es Geschäfte gab.
Je weniger Menschen er sah, desto besser. Manchmal kamen Wanderer vorbei. Ein kurzer Gruß und das war’s – nicht immer war ihm nach Reden zumute. Ihm genügten die Vögel. Das war Unterhaltung genug dachte er – zumindest bis vor einiger Zeit.
Endlich hatte er sich aufgerafft und kletterte aus dem Bett. Er musste erst den Ofen anheizen, sonst gab’s kein heißes Wasser für den Kaffee. Auch konnte das alte Steinhaus etwas Wärme vertragen.
Auf Strom musste Jean seit einiger Zeit verzichten. Ein Blitzschlag hatte die Elektrik des Hauses endgültig ruiniert. Normalerweise würde man so etwas reparieren lassen, doch Jean ließ sich Zeit. „Irgendwann“, dachte er. Inzwischen war es für ihn ein Ansporn, der Natur noch etwas näher zu kommen. Nur aufs Holz sammeln musste Jean verzichten. Das Holz kam aus dem Supermarkt – es war doch praktisch, wenn es Zivilisation in der Nähe gab.
Noch etwas benommen werkte er an seinem Ofen herum. Kaffee war das erste am Morgen – oder besser gesagt nach dem Aufstehen. Kaltes Wasser ins Gesicht tat das übrige. Jetzt war er endgültig munter, der Tag lag vor ihm.
Ein altes Auto stand vor dem Haus und verrichtete bei Bedarf rauchend und ratternd seine Dienste. Jean war Selbstversorger, das heißt, er fuhr zeitweise raus in die Stadt und kaufte seine Lebensmittel selber ein. Inzwischen war er Experte für haltbare Lebensmittel geworden. Sein Kühlschrank wartete ebenso auf das Comeback der Elektrizität.
Von einer Freundin, die sich um ihn Sorgen machte, hatte er ein Solar-Ladegerät bekommen. Zumindest sein Mobiltelefon konnte er damit aufladen. Zur Not gab es also Telefon. Außer seiner Mutter rief ihn ohnehin niemand an.
Als Jean sich in seiner Pension das etwas baufällige Haus kaufte und es notdürftig zu renovieren begann, hielt er sich noch für relativ fit. Inzwischen jedoch ähnelte er immer mehr seinem Auto. Der Start in den Tag benötigte immer mehr Anlauf und Motivation. Jedoch einmal in Fahrt, war er nur schwer wieder zu bremsen.
Die Nächte wurden immer lang, auch wenn inzwischen Mondlicht und Kerzenschein das Licht der elektrischen Lampe ersetzten. Das Rauschen des Baches, die Geräusche der Tiere im Wald. Das Beobachten des Abendsterns, wenn er langsam über den Nachthimmel entschwand – das war für eine Zeit Beschäftigung genug. Bis die Sehnsucht kam…
[To Be Continued]
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.